In seinem aktuellen Bericht fordert der UN-Ausschuss eine vollständige Prüfung der EU-Gesetzgebung im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention. Besonders im Fokus: die seit 2008 blockierte Antidiskriminierungsrichtlinie.
Die Europäische Union hat die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bereits 2010 als supranationale Organisation ratifiziert. Am 11. und 12. März 2025 stellte sie sich in Genf der Überprüfung durch den UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Der Ausschuss veröffentlichte seine abschließenden Bemerkungen nur wenige Wochen später, am 3. April.
Die Einschätzung fällt kritisch aus: Die EU muss ihre gesamte Gesetzgebung auf Vereinbarkeit mit der UN-BRK prüfen. Für die Behindertenvertretung ist der Bericht ein deutliches Signal – nicht nur zur Analyse, sondern zur aktiven Reform.
Unvollständiger Diskriminierungsschutz bleibt Kernproblem
Ein zentrales Thema bleibt die fehlende Umsetzung der Equal Treatment Directive, also der Richtlinie zur Gleichbehandlung außerhalb des Arbeitslebens. Sie wurde 2008 vorgelegt und sollte Diskriminierung etwa in Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum oder Zugang zu Dienstleistungen verhindern. Bis heute ist sie nicht in Kraft.
Die Europäische Kommission hat Ende 2024 überraschend entschieden, den Gesetzgebungsprozess nicht weiterzuverfolgen. Diese Entscheidung wurde weder mit anderen EU-Institutionen noch mit der Zivilgesellschaft abgestimmt. Sie fand sich lediglich als Anhang im Arbeitsprogramm 2025 der Kommission – mit der Begründung, dass die Richtlinie seit 17 Jahren, insbesondere durch nationale Regierungen wie jene Deutschlands, blockiert werde. Dies geschieht, obwohl mehrere Ratspräsidentschaften gezielt daran gearbeitet hatten, das Vorhaben voranzubringen.
Dabei würde die Equal Treatment Directive eine entscheidende Lücke im unionsweiten Diskriminierungsschutz schließen. Sie basiert auf langjährigen zivilgesellschaftlichen Forderungen und soll für alle Personen gelten, die aufgrund geschützter Merkmale benachteiligt werden – etwa Behinderung, Alter, Religion oder sexuelle Orientierung. Die Umsetzung wäre ein wichtiger Schritt, um die Verpflichtungen aus EU-Verträgen und internationalen Menschenrechtsnormen wirksam umzusetzen.
Weitere Empfehlungen des Ausschusses
Der UN-Ausschuss spricht weitere klare Empfehlungen aus:
- Der Geltungsbereich des EU-Behindertenausweises soll über die Mobilität hinaus ausgeweitet werden, um das Grundprinzip der Personenfreizügigkeit in der EU tatsächlich zu gewährleisten.
- EU-Fördermittel dürfen künftig nicht mehr in Einrichtungen fließen, die Menschen mit Behinderungen isolieren oder segregieren.
- Organisationen von Menschen mit Behinderungen sollen systematisch in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden – als gleichberechtigte Partner.
Der Bericht betont mehrfach, dass die EU ihrer Vorbildrolle nur dann gerecht wird, wenn sie auch auf struktureller Ebene konsequent inklusiv handelt.
KOBV: Verpflichtung muss auch Umsetzung bedeuten
Für den KOBV Österreich steht fest: Die UN-Empfehlungen sind ein Arbeitsauftrag für alle Ebenen der Politik. Präsident Franz Groschan betont:
„In unserem gemeinsamen Europa ist es unerlässlich, für gemeinsame Standards zu sorgen. Die EU beruht auf den Werten der Gleichheit, Freiheit und Solidarität. Es wird Zeit, dies auch für Menschen mit Behinderungen rechtssicher zu verwirklichen.“
Der KOBV unterstützt daher die Forderungen des Ausschusses in vollem Umfang. Die Einhaltung der UN-BRK muss messbar, verbindlich und auf allen politischen Ebenen spürbar werden.